Im Alter verlieren die Knochen ihre Knochendichte. Das heißt, ihre Hohlräume werden immer größer und die Stabilität der Knochen nimmt ab. Diese Krankheit nennt sich Osteoporose. Bei Osteoporose kommt es daher oftmals zu Knochenbrücken.
Stabilisierung von gebrochenen Wirbelkörpern
Eine Form der Stabilisierung von (gebrochenen) Wirbelkörpern ist die sogenannte „perkutane Vertebroplastie“. Bei dieser Behandlungsmethode wird sogenannter „Knochenzement“ in die Wirbel von Patienten gespritzt, die an Osteoporose leiden. Dabei werden schrittweise wenige Milliliter des Knochenzements injiziert und die Ausbreitung des Knochenzements immer wieder mit Röntgenaufnahmen kontrolliert. Das „flüssige“ Knochenzement härtet innerhalb von ca. 20 Minuten aus und stabilisiert den Knochen wieder.
Internationale Zusammenarbeit
An der Universität Stuttgart wird hierzu in Zusammenarbeit mit dem AO Research Institute Davos (Schweiz) geforscht. Forscher*innen der Universität Stuttgart* verwenden die experimentellen Daten aus Davos*, um damit Simulationen zu erstellen. Diese können Mediziner*innen helfen, die Vertebroplastie-Behandlung besser zu verstehen und diese dadurch insgesamt zu verbessern. Außerdem sind diese Simulationen wichtig, um eventuelle Komplikationen im Voraus zu erkennen und zu vermeiden (zum Beispiel der Austritt des Knochenzements, die Beschädigung der Nerven an der Wirbelsäule etc.).
*Oliver Röhrle (Universität Stuttgart) / Boyko Gueorguiev-Rüegg (AO Foundaitio, Davos)
Zum Vertiefungstext der Simulation der Knochenzementinjektion und der Ausbreitung der Masse im Wirbel.
Therapie für Osteoporose
Auch wenn die Forschung von Timo Koch nicht unter die SFB-Förderung fällt, ist sie doch inhaltlich eng mit den dort bearbeiteten Fragestellungen verwandt. Dagegen ist die kürzlich angelaufene Forschung zu Simulationen bei der perkutanen Vertebroplastie, einer Therapie zur Behandlung der Osteoporose (Knochenschwund), ein SFB-Projekt. Angesiedelt ist es bei Oliver Röhrle, Professor für Kontinuums-Biomechanik und Mechanobiologie am Institut für Mechanik (Bauwesen) der Universität Stuttgart. „Wir wollen mit unserer Modellierung und Simulation den Medizinern helfen, dass sie die Vorgänge bei dieser Behandlungsmethode besser verstehen können“, umreißt der Biomechaniker das Ziel der eigenen Forschung.
Komplikationen bei Behandlung vermeiden: Bei der perkutanen Vertebroplastie spritzt der Arzt sogenannten Knochenzement in die Wirbel von Patienten, die an Osteoporose leiden. Die Behandlung erfolgt minimalinvasiv; der Arzt injiziert schrittweise wenige Milliliter des Knochenzements und kontrolliert immer wieder die Folgen mit Röntgenaufnahmen. „Es ist eine Standardbehandlung“, sagt Röhrle, „aber es gibt leider immer mal wieder Komplikationen, so dass zum Beispiel Knochenzement aus einem Wirbel austritt. Zudem weiß der Arzt nicht, wie sich das mechanische Verhalten des menschlichen Bewegungsapparats durch den Knochenzement ändert.“
Schließlich haben sich Wirbel, Bänder, Sehnen und Muskeln im Lauf der Zeit an die veränderte Statik der Wirbelsäule angepasst. „Hinzu kommt, dass sich der injizierte Knochenzement letztlich bei jedem Patienten anders verteilt.“ Aus Sicht der Strömungsmechanik ist die perkutane Vertebroplastie ein typisches Beispiel für die Vorgänge in porösen Medien. Der injizierte flüssige Knochenzement härtet im Wirbel aus, so dass es zunächst beim Eindringen des Zements zu einer Volumenänderung und anschließend beim Aushärten zu einer Phasenänderung von flüssig nach fest kommt. „Diese Vorgänge versuchen wir, mit Simulationen zu beschreiben“, sagt Röhrle. Und dabei die Eigenschaften von immerhin drei unterschiedlichen Materialien zu berücksichtigen – von Knochen, Knochenmark und Knochenzement. Um das Stuttgarter Modell zu validieren, werden die Wissenschaftler mit dem AO Research Institute Davos zusammenarbeiten. „Dort haben sie die experimentellen Laboraufbauten und die klinischen Fragestellungen, die wir für unsere Modellbildung benötigen“, so Röhrle. Erst wenn die Ergebnisse aus dieser ersten Phase vorliegen, können sich die Projektbeteiligten an die eigentlich interessante Fragestellung heranwagen: Was passiert genau, wenn es zu einem Bruch oder einem Riss im Wirbel kommt?
— Michael Vogel (Forschung Leben, Ausgabe 11/2018)
Ausbreitung von Knochenzement während der Vertebroplastie
Das menschliche Skelett durchläuft über den gesamten Lebenzyklus einen Prozess namens Knochengeweberemodellierung. Hierbei wird altes Knochenmaterial abgebaut und durch neu aufgebautes Gewebe ersetzt. Steht dieser Prozess nicht mehr im Gleichgewicht und Knochengewebe wächst nicht in ausreichender Menge nach, kommt es zum Knochenschwund und zur Abnahme der Knochendichte. Diese häufig im Alter auftretende Krankheit wird Osteoporose genannt und kann zu massiven Einschränkungen in der Stabilität des gesamten Skeletts führen und mit einer stark erhöhten Frakturanfälligkeit einhergehen. Im Bereich der Wirbelsäule kann die Schwächung der Knochenstruktur zu Sinterungsbrüchen der Wirbelkörper und zu schwerwiegende Beschwerden der Betroffenen führen.
Eine Therapiemaßnahme zur Stabilisierung von osteoporotischen Wirbelkörpern ist die Vertebroplastie. Dies ist eine minimalinvasive Operation, bei welcher sogenannter Knochenzement in den Wirbelkörper perkutan injiziert wird und diesen nach dem Aushärten des zuvor flüssigen Knochenzements wieder festigt. Bei der Operation muss insbesondere darauf geachtet werden, dass kein Injektionsmaterial aus dem Wirbelkörper austritt. Mögliche schwerwiegende Folgen einer solchen Zementleckage sind etwa das Verursachen einer Embolie oder die Kompression des Rückenmarks.
Die numerische Simulation von Vertebroplastie kann dabei helfen, Komplikationen während dieses Eingriffs zu vermeiden und Vorhersagen über die Ausbreitung des Knochenzements innerhalb des Wirbelkörpers zu treffen. Großes Ziel ist es hierbei, den Operationsablauf zu optimieren, indem Faktoren wie die Lage der Injektionsnadel, die Wahl des Knochenzements und der notwendige Injektionsdruck in präoperativen Simulationen getestet werden. Dies bietet den operierenden Ärzten die Möglichkeit, einerseits Risiken schon im Vorfeld abzuschätzen und andererseits das bestmögliche Therapieergebnis zu erreichen. Ein weiteres Ziel bei der Simulation von Vertebroplastie ist es, ein tiefergehendes Verständnis über die entstehenden Kräfte und Drücke innerhalb des Wirbelkörpers während der Knochenzementinjektion zu erfahren. Dadurch können Vorhersagen getroffen werden, ob die vorhandene trabekuläre Knochenstruktur durch die entstehenden Spannungen deformiert oder zerstört wird.
Das hier verwendete kontinuumsmechanische Modell auf Basis der Theorie Poröser Medien (TPM) beruht auf der Formulierung von beschreibenden Gleichungen für das Festkörperskelett des Knochens, des eingespritzten Knochenzements sowie des Knochenmarks, welches den Knochen zu Beginn ausfüllt. Dies ermöglicht die direkte Berücksichtigung von wichtigen Parametern, wie der Knochenzementviskosität und der anisotropen Permeabilität der Knochenstruktur im Wirbel. Das resultierende Gleichungssystem wird vollständig gekoppelt gelöst und erlaubt die gleichzeitige Untersuchung des Einspritzvorgangs und der Ausbreitung des Knochenzements mit der damit einhergehenden Verdrängung des Knochenmarks sowie der dabei auftretenden Spannungen und Deformationen der Knochenstruktur.
Credits: Universität Stuttgart / Christian Bleiler
Alles Porös
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Biologie
Nehmen wir uns selbst unter die Lupe, dann erkennen wir, dass auch wir ein „poröses Medium“ sind – Sei es die Haut, das Gehirn, die Zellen, die Arterien und Venen oder gar die Knochen.
Am Beispiel der porösen Knochenstruktur zeigen wir, was Osteoporose (Knochenschwund) ist und wie dessen Symptome unter Umständen gelindert werden können.